Die strengen alten Zeiten
Es ist gerade einmal gut 15 Jahre her, dass sich das Vergaberecht durch seine besondere Strenge ausgezeichnet hat. Jeder noch so kleine Fehler wurde hart sanktioniert. Hat also ein Bieter übersehen, eines von hundert Formularen abzugeben und war der Vergabestelle dieses Formular bereits aus anderen Vergaben bekannt, so war grundsätzlich trotzdem ein zwingender Ausschlussgrund gegeben. Dies war sowohl für die Bieter als auch für die Vergabestellen unbefriedigend. „Warum auch für die Vergabestellen?“ werden sich einige fragen. Wenn eine Vergabestelle den vermeintlich besten oder billigsten ausschließen muss, führt dies dazu, dass man weniger Leistung bekommt oder mehr Geld für die gleiche Leistung ausgeben muss. Dem Ansinnen des Vergaberechts Steuergelder möglichst wirtschaftlich einzusetzen, wird damit ein Bärendienst erwiesen. Dies hat dazu geführt, dass sich das Vergaberecht diesbezüglich über die Jahre immer weiter gelockert hat.
Die aktuellen Regeln
War anfangs der Umfang der Nachforderungsmöglichkeiten und -pflichten noch sehr begrenzt, so werden heute auch das Vervollständigen und vor allem das Korrigieren im gleichen Atemzug genannt. Auch wenn sich der Begriff des Nachforderns als allgemeiner Oberbegriff etabliert hat, so geben § 16a Abs. 1 VOB/A, § 16a EU Abs. 1 VOB/A und § 56 Abs. 2 VgV nun ein breites Spektrum an Fällen an. Bieter können bei der Angebotsabgabe gemachte Fehler heilen. Wie so oft gibt es aber auch hier im Detail noch Unterschiede. Insbesondere die Frage, ob nachgefordert werden muss oder darf, wird in den unterschiedlichen Regelungen auch unterschiedlich beantwortet.
Was ist das Anfordern von Unterlagen?
In der Vergabewirklichkeit wird der Begriff des Nachforderns häufig auch für eine andere Konstellation verwendet. Nämlich dann, wenn sich die Vergabestelle im Angebot vorbehalten hat, Unterlagen erst später anzufordern, auf eine Vorlage mit dem Angebot aber verzichtet hat. Jedenfalls für die VOB/A (EU) ist der Umgang mit dieser Fallgruppe klar geregelt, § 16 Abs. 1 Nr. 4 bzw. § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A sehen dafür einen zwingenden Ausschlussgrund vor. In der VgV ist die Sachlage nicht ganz so eindeutig, jedoch ist auch hier ein Ausschluss zwingend, wenn die Vergabestelle beim Nachfordern auf einen etwaigen Ausschluss hinweist. Zur Unterscheidung des Nachforderns von Unterlagen, die mit dem Angebot abzugeben waren, aber fehlen und dem Anfordern von Unterlagen, die gerade nicht mit dem Angebot abzugeben waren, hilft es sehr, die unterschiedlichen Begriffe zu verwenden. Trotz der Unterschiedlichkeit der Konstellationen laufen die Rechtsfolgen im Ergebnis parallel. Die Vergabestelle setzt dem Bieter eine Frist zur Vorlage von Unterlagen und wenn er dem nicht nachkommt, schließt sie ihn aus.
Fazit
Die Vergaberegelungen verzeihen zwischenzeitlich deutlich mehr Fehler. Gleichwohl sind Bieter aufgerufen weiter sorgfältig zu arbeiten. Für Vergabestellen stellt sich in der Praxis nun häufig das Problem, abzugrenzen, welche Korrekturmöglichkeiten noch erlaubt sind und welche nicht. Es gibt schließlich auch weitere Bieter, die den Sachverhalt mit ganz anderen Augen betrachten als der eigentlich betroffene Bieter.
Wenn Sie mehr zu diesem Thema wissen wollen, dann hören Sie sich die aktuelle Podcastfolge an, die noch weitere Aspekte dieser äußerst praxisrelevanten Thematik aufgreift.