Jeder Bauvertrag hat ein klares Ziel: Der Auftragnehmer schuldet eine mangelfreie Leistung – und zwar im Zeitpunkt der Abnahme. Wann eine Leistung mangelhaft ist, hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab. Im folgenden Artikel möchte ich den Mangelbegriff der VOB/B bei vereinbarter Beschaffenheit näher erläutern. Weitere Beiträge zu diesem Thema werden folgen.
§ 13 Abs. 1 Satz 1 VOB/B gibt das Ziel eines jedes Bauvertrags vor:
„Der Auftragnehmer hat seine Leistung zum Zeitpunkt der Abnahme frei von Sachmängeln zu verschaffen.“
Was die VOB/B unter Sachmängeln versteht, ergibt sich aus den Sätzen 2 und 3 des § 13 Abs. 1 VOB/B. Demnach kommt es immer auf zwei Komponenten an: Zu einer mangelfreien Leistung gehört zunächst, dass sie eine bestimmte Beschaffenheit aufweist. Die zweite Voraussetzung ist, dass die Leistung zusätzlich auch den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
Vereinbarte Beschaffenheit
Der wahrscheinlich häufigste Fall – gerade bei öffentlichen Aufträgen – ist der, dass die Beschaffenheit der Bauleistung im Vertrag relativ genau beschrieben ist. Was der Auftraggeber möchte, kann man üblicherweise sehr detailliert in der Leistungsbeschreibung nachlesen. Genauso können derartige Angaben aber auch in Protokollen zu Baubesprechungen, im Schriftverkehr, in Plänen usw. niedergelegt sein.
Die Vorgaben zur Beschaffenheit sind für den Auftragnehmer bindend. Er muss diese umsetzen. Wenn also im Leistungsverzeichnis zum Beispiel eine konkret beschriebene Brandschutztür vorgegeben ist, so muss exakt diese auch eingebaut werden. Würde der Auftragnehmer eine andere Tür einbauen, so wäre seine Leistung an dieser Stelle mangelhaft. Es kommt nicht darauf an, ob die tatsächlich ausgeführte Tür dann besser geeignet, hochwertiger, optisch passender etc. ist. Die bloße Abweichung von den Sollvorgaben genügt, um einen Mangel nach VOB/B feststellen zu können.
Anerkannte Regeln der Technik
Neben den Vorgaben zur Beschaffenheit hat der Auftragnehmer jedoch noch einen weiteren Aspekt zu berücksichtigen. Seine Bauleistung muss im Zeitpunkt der Abnahme auch den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Dies sind all jene technischen Regeln, die sich in der Wissenschaft durchgesetzt und in der Baupraxis bewährt haben. DIN-Normen können solche anerkannten Regeln der Technik darstellen. In einem späteren Beitrag werde ich auf den Begriff der anerkannten Regeln der Technik noch vertiefter eingehen.
Es kann also folgende zunächst überraschende Situation eintreten: Der Auftragnehmer baut exakt die Teile eine, die der Auftraggeber vorgegeben hat. Gleichwohl ist seine Leistung mangelhaft, wenn die Verwendung der Bauteile gegen anerkannte Regeln der Technik verstößt. Hier hat der Auftragnehmer eine weitreichende Hinweis- und Prüfpflicht.
Bedenkenanmeldung des Auftragnehmers
Der Auftragnehmer kann der eben geschilderten „Falle“ entkommen, wenn er rechtzeitig vor Erbringung seiner Bauleistung auf den drohenden Verstoß gegen anerkannte Regeln der Technik hinweist nach § 4 Abs. 3 VOB/B.
Der Auftraggeber muss sich nach einer solchen Bedenkenanzeige entscheiden. Entweder hält er an der regelwidrigen Leistung fest oder aber er stellt seine Leistung um. Dem Auftragnehmer kann er jedenfalls nicht mehr vorwerfen, er würde ein mangelhaftes Werk herstellen, wenn er den Vorgaben des LV folgt.
Branchenübliches Wissen
Vom Auftragnehmer kann nicht in jedem Fall verlangt werden, dass er auf einen Regelverstoß rechtzeitig hinweist. Er hat nur branchenübliches Wissen anzuwenden. Das bedeutet, dass der Umfang seiner Prüf- und Hinweispflichten eingeschränkt ist. Einen guten Anhaltspunkt für seine Pflichten in diesem Zusammenhang liefern die jeweils einschlägigen Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen in der VOB/C.
Es kann auch vorkommen, dass die Leistungsbeschreibung keine oder keine umfassende Beschaffenheitvorgabe enthält. Wann in solchen Fällen ein Sachmangel vorliegt, möchte ich in einem späteren Beitrag näher erläutern.