Begriff des Sachmangels – Teil 2

In einem vorangegangenen Beitrag habe ich den Begriff des Sachmangels erklärt. Dabei bin ich davon ausgegangen, dass der Auftraggeber die gewünschte Bauleistung im Vertrag genau beschrieben hat. Im folgenden Artikel geht es um die Definition des Mangels, wenn im Vertrag keine Beschaffenheit vorgegeben worden ist.

Unterschiedliche Leistungsbeschreibungen

Öffentliche Auftraggeber sind üblicherweise dazu gehalten, die von ihnen gewünschte Bauleistung im Vertrag genau zu beschreiben. In aller Regel finden sich daher in den Vertragsunterlagen umfangreiche Leistungsverzeichnisse. Dort ist dann positionsweise erklärt, was der Auftraggeber haben möchte.

Gleichwohl finden sich in praktisch jedem Vertrag auch Elemente, die in den Bereich der funktionalen Leistungsbeschreibung gehören. Entweder kann der Auftraggeber noch nicht abschließend sagen, wie die konkrete Leistung genau aussehen sollen. Oder aber es geht um Selbstverständlichkeiten, die einer näheren Ausführung im Leistungsverzeichnis nicht bedürfen. Zu denken wäre beispielsweise an die gleichermaßen banale wie wichtige Tatsache, dass ein Gebäude standsicher sein muss oder etwa ein Dach wasserdicht.

Fallgruppen des Sachmangels

§ 13 Abs. 1 VOB/B berücksichtigt bei der Definition des Sachmangels ausdrücklich auch die oben genannten Fälle – also solche, in denen der Auftraggeber eine genaue Beschaffenheitsbeschreibung nicht liefern konnte oder wollte. Dabei arbeitet die VOB mit zwei Varianten:

  1. Aus den Gesamtumständen des Vertrages kann ein Rückschluss auf die Beschaffenheit der konkrete bestellten Leistungen gezogen werden.
  2. Es gibt eine gewöhnliche Eignung beziehungsweise Beschaffenheit der bestellten Leistung, auf die auch im konkreten Vertrag abgestellt werden kann.

Fall 1: vertraglich vorausgesetzte Verwendung

Der erste Fall ist in § 13 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 VOB/B geregelt. Demnach ist die Leistung zur Zeit der Abnahme frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Hier muss also eine Auslegung des Vertragszweckes stattfinden. Es kommt darauf an, wofür die Leistung benötigt wird und wie das gesamte Ergebnis aussehen soll.

Ist beispielsweise ein Glasdach zu erstellen, dürfte sich aus den Umständen bereits ergeben, dass durch dieses genügend Tageslicht ins Gebäude kommen sollte. Der Unternehmer muss also darauf achten, dass vermeidbare Verschattungen unterbleiben. Andernfalls läge ein Sachmangel vor.

Man muss bei dieser Variante immer das große Ganze im Blick haben und fragen: Warum möchte der Auftraggeber die konkret bestellte Leistung haben und welchen Zweck soll diese erfüllen?

Fall 2: übliche Verwendung

Der zweite Fall betrifft solche Konstellationen, in denen eine Auslegung des Vertragszweckes nicht möglich ist oder zu keinen Ergebnissen kommt. Nur dann wird ausnahmsweise auf objektive Kriterien abgestellt. Im Einzelnen geht es um die gewöhnliche Verwendung und die übliche Beschaffenheit bei Werken der gleichen Art (§ 13 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 VOB/B).

So muss beispielsweise eine Sockelabdichtung an einem Gebäude so beschaffen sein, dass kein Wasser eindringen kann. Ebenso muss zum Beispiel ein Regenfallrohr so angebracht sein, dass es Regenwasser zuverlässig vom Gebäude ableitet. Andernfalls liegt ein Sachmangel vor.

Hier ist also immer danach zu fragen, wie die gewünschte Leistung üblicherweise aussehen muss. Dabei kann auf andere vergleichbare Objekte, also zum Beispiel ähnliche Gebäude, zurückgegriffen werden.

Obwohl in § 13 Abs. 1 Satz 3 VOB/B auf die anerkannten Regeln der Technik nicht ausdrücklich verwiesen wird, spielen diese auch in den oben genannten Fällen eine wichtige Rolle. In einem dritten Teil werde ich deshalb auf den Begriff der anerkannten Regeln der Technik noch einmal vertieft eingehen.

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