Eine größere Baumaßnahme ohne Architekten ist kaum denkbar. Zunächst sind es hauptsächlich Vorbereitungs- und Planungsleistungen, die aus seiner Feder stammen. Während der Bauausführung tritt der Architekt dann auch nach außen auf: Er steuert und überwacht die Vorgänge auf der Baustelle. Immer wieder stellt sich dabei die Frage: Was darf der Architekt im Namen des Bauherren gegenüber Bauunternehmen veranlassen? In diesem Beitrag möchte ich die Grundlagen der Architektenvollmacht näher darstellen.
Wozu eine Vollmacht?
Ohne Vollmacht wäre die Abwicklung einer Baumaßnahme sehr umständlich. Der Bauherr müsste stets selbst auf der Baustelle anwesend sein und sämtliche Absprachen mit den Bauunternehmen persönlich vornehmen. Die Tätigkeit des Architekten als Bauüberwacher hätte wenig Sinn: Er könnte allenfalls auf Abstimmungsbedarf mit Firmen auf der Baustelle hinweisen, dürfte dann aber selbst nichts unternehmen. Es liegt auf der Hand, dass dies so nicht gewollt sein kann.
Hier hilft eine Vollmacht weiter: Der bevollmächtigte Dritte erhält das Recht, für und gegen seinen Vollmachtgeber zu handeln. Er kann Erklärungen abgeben und vertragliche Verpflichtungen eingehen – vorausgesetzt, die Vollmacht sieht dies vor. Wer seine Rechte aus der Vollmacht überschreitet, wird zum sogenannten vollmachtlosen Vertreter und riskiert Schadensersatzansprüche (siehe § 179 BGB).
Die originäre Architektenvollmacht
In welchem Umfang Architekten den Bauherrn gegenüber Firmen vertreten dürfen, ist nur selten ausdrücklich geregelt. Allerdings hat die Rechtsprechung erkannt, dass Architektenleistungen ganz ohne Vollmacht nahezu unmöglich wären. Sie hat deshalb den Begriff der originären Architektenvollmacht entwickelt (vgl. zum Beispiel KG, Urteil vom 22.05.2012 – 7 U 215/11). Inhalt und Umfang dieser Vollmacht ergibt sich aus der zugewiesenen Funktion des Architekten. Das heißt: Sie bezieht sich auf solche Aufgaben, die für die Erbringung der beauftragten Leistungen unbedingt erforderlich sind.
Das ist von der originären Vollmacht erfasst:
- technische Abnahmen
- Erstellung eines gemeinsamen Aufmaßes
- üblicherweise: Entgegennahme von Stundenlohnzetteln
- üblicherweise: Entgegennahme von Behinderungs- und Bedenkenanzeigen
- Aussprechen von Mängelrügen
- Erteilung von allgemeinen organisatorischen Weisungen auf der Baustelle
Das ist üblicherweise nicht mehr erfasst:
- Änderungen des Vertragsinhalts, insbesondere Anordnung von geänderten oder zusätzlichen Leistungen
- Vereinbarung von Stundenlohnarbeiten
- Gewährung von Fristverlängerungen
- Vereinbarung von (neuen) Ausführungsfristen
- rechtsgeschäftliche Abnahmen
- Ausspruch von Kündigungen
Zusammenfassend gesagt: Die originäre Vollmacht des Architekten endet dort, wo der Geldbeutel des Bauherrn anfängt.
Rechtsscheinvollmacht des Architekten
Immer wieder kommt es vor, dass der Architekt zum Beispiel Leistungsänderungen anordnet und dabei den Eindruck erweckt, dass er dies dürfe, Dies kann zum Beispiel dann passieren, wenn eine solche Anordnung in Anwesenheit des Bauherrn erfolgt – ohne dass dieser widerspricht. Nur wenn tatsächlich eine sogenannte Rechtsscheinvollmacht vorliegt, darf der Architekt den Bauherrn auch in solchen Sonderfällen vertreten. Wenn nicht, haftet er unter Umständen für entstandene Mehrkosten und Schäden. Unterschieden wird zwischen zwei Formen der Rechtsscheinvollmacht: Der Duldungs- und der Anscheinsvollmacht.
Duldungsvollmacht
Diese liegt vor, wenn der Bauherr weiß, dass der Architekt als sein angeblicher Vertreter auftritt und gleichwohl nichts dagegen unternimmt. Hierunter kann zum Beispiel die oben genannte Situation fallen: Der Bauherr steht daneben, wenn sein Architekt eine geänderte Leistung mündlich anordnet und schreitet dagegen nicht ein.
Anscheinsvollmacht
Hier weiß der Bauherr zwar nicht, dass der Architekt als sein angeblicher Vertreter auftritt. Er hätte es aber bei Anwendung der üblichen Sorgfalt erkennen und verhindern können. Beispiel: Der Bauherr vereinbart einen Termin zur Verhandlung neuer Vertragstermine mit dem Bauunternehmer und schickt dann allein seinen Architekten zum Gespräch.
Gut zu wissen: Grenzen des Rechtsscheins
Als Auftraggeber können Se jedoch verhindern, dass der Rechtsschein einer Bevollmächtigung Ihres Architekten zur Vornahme von Vertragsänderungen u.ä. entsteht. Immer dann, wenn dem Bauunternehmer nachweislich bekannt ist, dass eine Vollmacht nicht vorliegt, hilft ihm auch der Rechtsschein nicht weiter. Das bedeutet: Informieren Sie den Bauunternehmer schriftlich über den Umfang der Architektenvollmacht, wenn Sie den Anschein einer bestehenden Vollmacht verhindern wollen.