Reaktion auf überhöhte Angebotspreise

Der Baubranche geht es so gut wie lange nicht mehr. Volle Auftragsbücher und komplett ausgelastetes Personal gehören derzeit zum Alltag vieler Bauunternehmen. Öffentliche Auftraggeber haben auf der anderen Seite mit oft nur wenigen und meist sehr teuren Angeboten bei Vergabeverfahren zu kämpfen. Wie können Vergabestellen reagieren, wenn sämtliche Angebote die Kostenschätzung deutlich übersteigen? Die Vergabekammer des Bundes (VK Bund) hat sich kürzlich mit dieser Frage befasst.

Sachverhalt

Der Entscheidung der VK Bund vom 22.05.2018 (Az. VK 1-37/18) lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

In einem nicht offenen Verfahren für Bauleistungen wurden nur zwei Angebote abgegeben, beide lagen im Ergebnis über der Kostenschätzung. Das Angebot des günstigsten Bieters (Mindestbieter) überschritt im Titel „Baustelleneinrichtung“ die Kostenschätzung sogar um bis zu 600 %. Der Gesamtpreis lag „nur“ 67 % über der Schätzung.

Die Vergabestelle schloss beide Angebote von der Wertung aus wegen unangemessen hoher Preise (§ 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A). Anschließend hob sie das Vergabeverfahren auf, weil kein Angebot eingegangen war, das den Ausschreibungsunterlagen entsprach (§ 17 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A).

Der Mindestbieter wendete sich gegen die Aufhebung. Die Überschreitung der Kostenschätzung in einzelnen Positionen sei kein Aufhebungsgrund. Außerdem habe die Kostenschätzung nicht der aktuellen Marktsituation entsprochen.

Entscheidung der Vergabekammer

Auf Aufhebung kommt es nicht mehr an

Zunächst einmal stellte die VK Bund fest, dass vorrangig der Angebotsausschluss zu prüfen ist. Bei einem wirksamen Ausschluss kann sich der Mindestbieter nicht mehr auf eine rechtswidrige Aufhebung berufen. Hierauf kommt es nicht mehr an, wenn das Angebot schon aus anderen Gründen aus dem Rennen ist.

Angebotsausschluss korrekt

Weiter stellt die VK Bund fest, dass der öffentliche Auftraggeber hinsichtlich der Angemessenheit der Preise einen Beurteilungsspielraum hat. Er muss sich nicht zwingend auf den Gesamtpreis konzentrieren, sondern darf auch auf einzelne Preise abstellen. Die Rechtsprechung zu Unterangeboten – hier kommt es nur auf den Gesamtpreis an – sei nicht automatisch auch auf unangemessen hohe Angebote zu übertragen.

Wenn bereits die Angebotspreise zur Baustelleneinrichtung massiv über der Kostenschätzung lagen (bis zu 600%), reiche das zur Begründung aus. Ob auch die Abweichung des Gesamtpreises zur Annahme eine unangemessen hohen Preises führt, sei nicht mehr relevant.

Da der Kostenschätzung zuvor ermittelte Marktpreise bzw. Ergebnisse anderer Ausschreibungen zu Grunde lagen, wurde diese von der VK Bund nicht beanstandet. Die Referenzpreise waren allesamt nicht älter als fünf Monate.

Was folgt daraus  für die Praxis?

Einmal zeigt die Entscheidung sehr anschaulich, wie wichtig eine fundierte Kostenschätzung ist. Im Zweifel muss nachgewiesen werden können, dass sie auf echten Vergleichspreisen beruht, die nicht älter als etwa fünf Monate sein sollten.

Zum anderen stärkt sie die Reaktionsmöglichkeiten öffentlicher Auftraggeber. Bei überhöhten Preisen muss nicht zwingend ein Aufhebungsgrund gesucht bzw. konstruiert werden. Alternativ kann der Weg über den Ausschluss nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A führen. Da es dabei nicht nur auf den Gesamtpreis ankommt, sind massive Ausreißer bei Einzelpreisen ebenso zur Ausschlussbegründung geeignet.

Die Entscheidung selbst bezog sich zwar auf die VOB/A-VS. Da die maßgeblichen Normen aber identisch sind, ist sie auf Abschnitt 2 der VOB/A übertragbar.

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