
Die Vergabekammer Nordbayern hat mit Beschluss vom 12.02.2025 (Az. RMF-SG21-3194-9-45) klargestellt: Eine Zurückversetzung eines Vergabeverfahrens in den Stand vor Angebotsabgabe ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Auftraggeber können nicht beliebig auf „Neustart“ drücken, wenn sich Fehler in der Ausschreibung zeigen. In der heutigen Podcast-Folge beschäftigen wir uns mit dieser Entscheidung und deren Bedeutung für die Vergabe-Praxis.
Der Fall in Kürze
Bei einer Ausschreibung zur Installation von Gasanlagen hatte die Vergabestelle bestimmte produktspezifische Anforderungen (z. B. Ventilkasten-Oberteil aus ABS, patentierter Notöffnungsmechanismus) in die Leistungsbeschreibung aufgenommen. Später erkannte die Vergabestelle, dass diese Vorgaben problematisch oder kaum erfüllbar waren – und setzte das Verfahren zurück.
Die Vergabekammer entschied jedoch: Die Zurückversetzung war rechtswidrig, weil die Gründe aus der Risikosphäre der Vergabestelle selbst stammten. Fehler im Leistungsverzeichnis rechtfertigen keinen Abbruch und keine Zurückversetzung.
Lehren für Vergabestellen
Sorgfalt bei der Leistungsbeschreibung
Fehler oder unzulässige produktspezifische Vorgaben können das gesamte Vergabeverfahren gefährden. Eine Zurückversetzung wegen fehlerhafter Leistungsbeschreibung ist zwar faktisch immer möglich, weil die Vergabestelle berechtigt ist, eingeleitete Vergabeverfahren auch wieder zu beenden oder in ein früheres Stadium „zurückzuspulen“. Die Zurückversetzung als milderes Mittel zur Aufhebung ist per se erlaubt. Problematisch ist aber die Rechtsfolge., wenn die Maßnahme rechtswidrig war.
Abbruch oder Zurückversetzung sind nämlich nur mit sachlichem Grund rechtmäßig und lösen nur dann keine weiteren Ersatzansprüche der Bieter aus. Das heißt: Zulässig sind solche Maßnahmen, wenn ein objektiver Aufhebungsgrund nach § 17 VOB/A vorliegt – etwa wenn sich die Umstände nachträglich unvorhersehbar ändern. Fehler, die der Auftraggeber selbst verursacht hat, zählen nicht dazu.
Vertrauensschutz der Bieter ernst nehmen
Unternehmen investieren Zeit und Geld in ihre Angebote. Eine willkürliche Zurückversetzung erschüttert das Vertrauen in die Vergabe. Auftraggeber riskieren dadurch Nachprüfungsanträge und somit weitere Verzögerungen des Vergabeverfahrens. Und sie riskieren Schadensersatzansprüche.
Werden Fehler in den Vergabeunterlagen vor Ablauf der Angebotsfrist bemerkt, können sie durch Änderungsbekanntmachungen – auf Vergabeplattformen oft auch „Änderungspakete“ genannt – behoben werden. Daher kann nur geraten werden, Zeit und Expertise in die Erstellung der Vergabeunterlagen samt Leistungsbeschreibung zu stecken.
Fazit
Der Beschluss der Vergabekammer ist ein deutlicher Hinweis für Auftraggeber: Die Verantwortung für klare und rechtmäßige Vergabeunterlagen liegt vollständig bei ihnen. Eine Zurückversetzung sollte nicht als „Notlösung“ für selbst verursachte Fehler genutzt werden.