Das Schild kennt jeder, der schon an einer Baustelle vorbei gegangen ist. „Eltern haften für ihre Kinder“ heißt es regelmäßig. Aber ist das richtig? Haften Eltern für Ihre Kinder? Immer und überall?
Was sagt das BGB?
Nach dem BGB haften alle Personen gegenseitig nach den Vorschriften der §§ 823 ff. BGB. Es handelt sich dabei um das sogenannte Deliktsrecht. Die zentrale Norm ist § 823 BGB. Danach muss (vereinfacht) derjenige Schadensersatz leisten, der geschützte Rechte eines anderen vorsätzlich oder fahrlässig und widerrechtlich verletzt.
Für unsere Baustelle bedeutet das nun, dass derjenige, der die Baustelle unbefugt betritt und etwas kaputt macht, dafür Schadensersatz leisten muss, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig und zudem widerrechtlich gehandelt hat.
…und Kinder?
Kinder sind nach § 828 BGB besonders geschützt. Kinder verstehen noch nicht, welche Konsequenzen ihre Handlungen haben können. Einem Kind ist nicht klar, dass z.B. das Drücken eines Knopfes dazu führen kann, dass eine Maschine sich unmittelbar in Bewegung setzt. Das hat der Gesetzgeber bereits bei Erlass des BGB im vorletzten Jahrhundert erkannt und darum für Kinder eine Sonderregelung geschaffen: § 828 BGB. Für alle Kinder gilt § 828 Abs. 3 BGB. Das bedeutet, dass Kinder immer nur dann haften, wenn sie die nötige Einsicht hatten, die Konsequenzen ihres Handelns zu erkennen. Das kann je nach Fall höchst verschieden sein.
In der Regelung wird außerdem unterschieden zwischen Kindern, die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 828 Abs. 1 BGB) und Kindern, die das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 828 Abs. 2 BGB).
…unter sieben
Kinder unter sieben haften nach § 828 Abs. 1 BGB gar nicht für Schäden, die sie Dritten zufügen. Kleine Kindern wissen schlicht noch nicht, was sie tun, darum können sie dafür auch nicht zur Verantwortung gezogen werden.
…unter zehn
Kinder ab sieben und bis zehn Jahre haften grundsätzlich wie Erwachsene, § 828 Abs. 2 BGB. Eine Ausnahme gilt nur bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen oder Zügen, da der Gesetzgeber der Ansicht ist, dass diese für Kinder noch schwer einzuschätzen sind.
…und die Eltern?
Was nun, wenn Kinder auf der Baustelle „spielen“ und dabei etwas beschädigen. Kann ich mich dann an die Eltern wenden?
Nach dem oben geschriebenen nicht. Die Eltern haben selbst ja nichts beschädigt und das Kind haftet eventuell nicht. Allerdings gibt es noch die Aufsichtspflicht.
Nach § 832 BGB haften Personen, die zur Aufsicht über eine Person verpflichtet sind (z.B. Eltern). Aber Vorsicht: Diese Haftung geht nicht unbegrenzt. Der Aufsichtspflichtige haftet nicht, wenn der Schaden auch passiert wäre, wenn er ordentlich beaufsichtigt hätte (§ 832 Abs. 1 S. 2 BGB). Außerdem bedeutet Aufsichtspflicht nicht permanente Überwachung. Die Rechtsprechung hat hier bislang eine Vielzahl von Einzelfällen zu entscheiden gehabt. So hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 24.03.2009, Az. VI ZR 51/08 beispielsweise entschieden:
„Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Eltern in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ihr Kind zu verhindern.“
Eltern haften für Ihre Kinder
Der Hinweis auf Baustellenschindern ist also nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig. Eltern haften für Ihre Kinder, wenn Sie gegen ihre Aufsichtspflicht verstoßen. Allerdings kann aus einer Beschädigung durch ein Kind nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass eine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern vorlag.