Kormorane in Sankt Petersburg oder Bauablaufstörung

Die „Zenit-Arena“ in Sankt Petersburg litt unter dem Fluch so mancher Großprojekte. Die Ursache der Bauablaufstörung war schnell ausgemacht: Kormorane sollen die Dachkonstruktion mit ihren Schnäbeln beschädigt haben.

Natürlich sind wir keine Ornithologen und können daher nichts zur Verlässlichkeit dieser offiziellen Erklärung sagen. Trotzdem ist diese Randnotiz der Fußball Weltmeisterschaft 2018 eine kleine Behandlung wert.

Sachverhalt

Nehmen wir einmal an, in Sankt Petersburg leben Kormorane. Weiter nehmen wir an, diese sind in der Lage (und waren willens) die Dachkonstruktion während der Bauzeit zu beschädigen. In der Folge musste der Bauunternehmer Teile der Konstruktion mehrfach instand setzen. Das alles passierte vor der Abnahme.

Muss der Auftragnehmer nochmal nachbessern?

Diese Frage spielt im Bereich der sogenannten Leistungsgefahr. Darunter verstehen wir Juristen die Gefahr des zufälligen Untergangs bzw. der zufälligen Verschlechterung einer Sache. Zufällig heißt nun nicht, dass jemand eine Münze wirft und danach entschieden wird, ob die Sache zerstört wird, sondern nur, dass die Ursache von keiner Vertragspartei gesetzt wurde.

Im Werkvertragsrecht gilt: Bis zur Abnahme trägt der Auftragnehmer die Leistungsgefahr. Damit muss er bis zur Abnahme Leistungen nachbessern, die (fast) egal aus welchem Grund beschädigt werden. Ein Beispiel, das wir in diesem Zusammenhang schon behandelt haben, ist der Brand.

Unsere Kormorane in Sankt Petersburg sind solche zufälligen Ereignisse. Der Bauunternehmer müsste also „Kormoranschäden“ beseitigen bis zur Abnahme.

Und wer zahlt das?

Hier wird es spannend. Bei unserem Artikel zum Baustellenbrand haben wir bereits § 7 Abs. 1 VOB/B kennen gelernt. Übertragen auf unseren Fall müsste man nun fragen: Stellen Beschädigungen durch Kormorane „höhere Gewalt, Krieg, Aufruhr oder andere objektiv unabwendbare vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände“ dar?

Die Rechtsprechung ist hier streng. Wenn in Sankt Petersburg tatsächlich eine derartige Kormoranplage herrscht, wie in den offiziellen Meldungen behauptet, spricht viel dafür, dass ein Bauunternehmer, der sich auf den Auftrag bewirbt, davon Kenntnis hatte. Dann müsste er jedoch damit rechnen, dass seine Leistung von Kormoranen beschädigt wird und (wenn möglich) Maßnahmen dagegen treffen.

Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass es möglich wäre, Maßnahmen dagegen zu treffen. Auch wenn wir – wie bereits gesagt – keine Ornithologen sind, wären jedenfalls drei Maßnahmen naheliegend:

  • Netze, die Kormorane abhalten
  • Kormoranvergrämung durch Schall oder „Kormoranscheuchen“
  • Abdecken der empfindlichen Oberflächen

Der Auftragnehmer hätte also Möglichkeiten gehabt, Kormoranschäden zu vermeiden. Daher hätte ihm (nach Ferndiagnose auf Grundlage der Medienberichte) nach VOB/B kein Anspruch auf Vergütung der Beseitigung dieser Schäden zugestanden.

Fazit

Würde in Russland die VOB/B zur Anwendung kommen bei dem Bau von Fußballstadien, hätte dies der Bevölkerung von Sankt Petersburg Mehrkosten von mehrerern 100 Mio. € erspart.

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