Ein wesentlicher Teil der Prüfung von Angeboten im Rahmen eines Vergabeverfahrens betrifft die Frage, ob der jeweilige Bieter über die notwendige Eignung verfügt. Da Bieter, die regelmäßig an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen, immer wieder dieselben Unterlagen einreichen müssen, gibt es die Möglichkeit häufig benötigte Unterlagen im Rahmen einer sog. Präqualifikation dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Dass das Nutzen dieser Erleichertung auch ein Risiko sein kann, zeigt eine Entscheidung des OLG Düsseldorf.
Hintergrund
Gerade im Bereich der Bauvergaben hat sich die Präqualifikation bei größeren Unternehmen etabliert. Mit kleinen Unterschieden im Detail sehen § 6b VOB/A und § 6b EU VOB/A vor, dass der Nachweis der Eignung entweder durch Einzelnachweise oder durch eine vom öffentlichen Auftraggeber direkt abrufbare Eintragung in die allgemein zugängliche Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e. V. (Präqualifikationsverzeichnis) geführt werden kann.
Mit dieser Regelung wird den Bietern ermöglicht, immer wieder benötigte Unterlagen einmalig abzulegen und den potentiellen Auftraggebern zur Verfügung zu stellen. Aber auch für die Vergabestellen kann sich hieraus eine Erleichterung ergeben, da man sich wichtige Informationen sehr schnell selbst besorgen kann.
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf
Mit seinem Beschluss vom 08.06.2022 hat das OLG Düsseldorf (VII-Verg 19/22) diese grundsätzliche Erleichterung durchaus auch zu einem gewissen Risiko gemacht.
Was war passiert? Ein öffentlicher Auftraggeber hatte in seiner Auftragsbekanntmachung ein Formblatt „Eigenerklärung Eignung“ mit einem Direktlink verknüpft und darin bei „Verpflichtende Eignungsnachweise“ Folgendes vermerkt:
„Angaben sind immer vorzunehmen, soweit das Unternehmen nicht PQ-qualifiziert ist“
Danach folgten detaillierte Angaben zu den notwendigen Referenzen. Der Bieter mit dem niedrigsten Angebtspreis gab zum Nachweis seiner Eignung seine PQ-Nummer an. Die Vergabestelle prüfte die beim PQ-Verein hinterlegten Referenzen und stellte fest, dass diese nicht in der notwendigen Anzahl den Bedingungen des Formblattes „Eigenerklärung Eignung“ entsprachen. Da aus Sicht der Vergabestelle auch keine Korrekturmöglichkeit bestand, schloss sie den Bieter aus.
Dieser stellte einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Bundes und bekam dort auch Recht. Die VK Bund war der Auffassung, dass die Vergabestelle die besonderen Anforderungen an die Referenzen auf Basis ihrer Vergabeunterlagen nur gegenüber denjenigen Bietern verlangt hatte, die sich gerade nicht auf eine PQ-Eintragung berufen würden. Für die PQ-Bieter hätte (vorläufig) der bloße Nachweis der Präqualifikation ausgereicht.
Die Vergabestelle wollte es jedoch nicht dabei belassen, legte sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein und bekam dort Recht. Die inhaltichen Anforderungen an die Eignung und ihre Nachweise müssen – nach dieser Entscheidung – für alle Bieter gleich sein. Dies folgert das OLG aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 2 GWB. Insofern waren auch bei den PQ-Bietern die Anforderungen an die Referenzen zu prüfen und von diesen vollständig zu erfüllen. Da vorliegend nicht ausreichend Referenzen bei der Präqualifikation hinterlegt waren, war das Angebot auszuschließen.
Bewertung
Der zweite Gedanke erscheint zumindest noch konsequent, wenn man davon ausgeht, dass die beim PQ-Verein hinterlegten Referenzen als konkret für das Projekt abgegeben gelten sollen. Dann hätte der Bieter unzureichende Referenzen abgegeben, so dass man zu einer Ausschlussentscheidung kommen kann. Die Möglichkeit des Nachforderns von Unterlagen gem. § 16a EU Abs. 1 VOB/A hat das OLG ausdrücklich abgelehnt.
Noch kritischer ist dagegen die Umkehrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der Entscheidung nach muss ein Bieter damit auch Anforderungen erfüllen, die ausdrücklich nur an Konkurrenten gestellt wurden. Dies erscheint sehr fragwürdig. Vielmehr wären die durch die Ungleichbehandlung benachteiligten Bieter aufgefordert, sich während des Vergabeverfahrens beispielsweise mittels einer Rüge gegen diese Ungleichbehandlung zu wehren. Von den Bevorteilten zu verlangen, dass diese mehr liefern als von ihnen ausdrücklich abverlangt wurde, erscheint dagegen wenig überzeugend.
Folgen
Konsequent weitergedacht kann dies bedeuten, dass alle beim PQ-Verein hinterlegten Unterlagen plötzlich auf der Goldwaage liegen. Bieter müssten dann ihre hinterlegten Unterlagen permanent aktuell halten und vor der Abgabe von Angeboten projektspezifische Unterlagen hinzufügen. Betroffen sein, könnten dann nicht nur Refernzen, sondern beispielweise auch Handelsregisterauszüge, Bescheinigungen und Nachweise, die etwaigen Aktualitätsanforderungen nicht entsprechen. Gerade dies würde aber jede vom Gesetzgeber gewollte Arbeitserleichterung zu Nichte und die Verwendung der Präqualifikation zu einem echten Risiko machen. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung bleibt daher abzuwarten.