Adieu VOB/B?
Wie angekündigt starten wir mit einem Artikel zum neuen Bauvertragsrecht. In der Diskussion zum neuen Bauvertragsrecht herrscht große Verunsicherung. Vielfach war in 2017 zu hören, dass das neue Bauvertragsrecht der Untergang der VOB/B sei. So absolut wird die Behauptung nicht zutreffend sein. Dennoch gibt es neue Gefahren, die ich aufzeigen möchte.
Was war vor dem neuen Bauvertragsrecht?
Ausgangspunkt ist das Urteil des BGH vom 16.12.1982 (Az: VII ZR 92/82). Darin entscheid der Senat, dass die VOB/B nicht der sogenannten Inhaltskontrolle nach (heute) § 307 BGB unterliegt, wenn sie „ohne ins Gewicht fallende Einschränkungen“ vereinbart wird. Dies war erstaunlich, da es sich unstreitig um AGB handelt. Nach vielen weiteren Entscheidungen wurde § 310 Abs. 1 S. 3 BGB neu eingeführt. Darin ist gesetzlich geregelt, dass keine Inhaltskontrolle der VOB/B stattfindet, wenn sie „ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt“ vereinbart wird.
Was bedeutet nun Inhaltskontrolle?
Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Dabei beurteilt das Gericht jede Klausel für sich und „streicht“ den unwirksamen Teil so, dass ein sprachlich verständlicher Rest zurückbleibt. Dieses Vorgehen nennt man auch „blue pencil test“.
Welche Folgen hat das für den Bauvertrag?
Wird im Vertrag ein Teil gestrichen, entsteht eine Lücke. Diese kann durch gesetzliche Regelungen geschlossen werden. Im allgemeinen Werkvertragsrecht existieren zahlreiche Regelungen von denen die VOB/B abweicht. Ist nun eine Regelung der VOB/B nach der Inhaltskontrolle unwirksam, kommt die gesetzliche Regelung zum Tragen. Das Ganze kann nur passieren, wenn man die VOB/B nicht „ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt“ vereinbart.
Beispiel:
Würde in diesem Fall ein Gericht die Regelung zur Vergütung von geänderten Leistungen nach § 2 Abs. 5 VOB/B für unwirksam halten, müsste man im gesetzlichen Werkvertragsrecht suchen. Für Verträge, die vor dem 01.01.2018 geschlossen wurden, stößt man dann auf § 632 Abs. 2 BGB.
Was wird nach dem neuen Bauvertragsrecht?
Das neue Bauvertragsrecht ändert an der oben beschriebenen Rechtslage zunächst wenig. Die Privilegierung der VOB/B nach § 310 Abs. 1 S. 3 BGB bleibt unverändert bestehen. Wird die VOB/B „ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt“ vereinbart, findet eine Inhaltskontrolle einzelner Klauseln nicht statt.
Wenn allerdings die VOB/B nicht „ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt“ vereinbart ist, sind die Folgen weitreichender als noch vor der Reform. Liest man § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, wird deutlich warum. Danach wird eine unangemessene Benachteiligung vermutet, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist.
Das neue Bauvertragsrecht enthält zahlreiche Regelungen, von denen die VOB/B abweicht. Das Werkvertragsrecht war viel offener und weniger ausdifferenziert als das neue Bauvertragsrecht.
Es bestehen jetzt also zwei Risiken, wenn man die VOB/B nicht „ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt“ vereinbart:
- Ein Gericht könnte feststellen, dass es sich bei den Regelungen des neuen Bauvertragsrechts um wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung handelt und damit
- diese Regelungen im konkreten Vertrag anwenden, da die VOB/B an der konkreten Stelle eine unangemessene Benachteiligung darstellen würde.
Ausweg
Die Lösung ist so nahe liegend und „einfach“ wie vor der Reform: Vereinbaren Sie die VOB/B „ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt“. Die sich andernfalls ergebenden Konsequenzen sind mit dem neuen Bauvertragsrecht deutlich gravierender geworden. Welche dies im Einzelnen sind, werde ich in folgenden Artikeln beleuchten.