Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Bauunternehmen richten sich üblicherweise nach der VOB/B. Dort sind – in § 4 Abs. 7 VOB/B – bereits vor Abnahme diverse Rechte bei mangelhafter Leistung vorgesehen. Der Weg führt häufig über die Kündigung zur Ersatzvornahme. Anders ist es bei Verträgen der öffentlichen Hand mit freiberuflich Tätigen. Hier gilt einzig und allein das BGB-Werkvertragsrecht als Grundlage. Nach Mängelrechten vor Abnahme sucht man in den §§ 633 ff. BGB allerdings vergeblich.
Typische Fälle
Wenn nichts anderes geregelt ist, gehört die Führung des Bautagebuchs zu den typischen Vertragsleistungen eines Architekten während der Objektüberwachung. Die HOAI kennt in Leistungsphase 8 des Leistungsbilds Gebäude und Innenräume die Grundleistung „Dokumentation des Bauablaufs (zum Beispiel Bautagebuch)“. Was aber tun, wenn der Architekt das Bautagebuch trotz Aufforderung und Fristsetzung nicht erstellt?
Nicht selten würden Auftraggeber hier gerne Nägel mit Köpfen machen und das Bautagebuch auf Kosten des Architekten durch einen Dritten erstellen lassen. Bei der sog. Selbstvornahme ist allerdings Vorsicht geboten. Der BGH hat dies in seinem Urteil vom 19.01.2017, Az.: VII ZR 301/13, ausdrücklich klargestellt.
Keine Mängelrechte vor Abnahme
Die Selbstvornahme ist (auch) im BGB-Werkvertragsrecht ein Gewährleistungsrecht. Die Gewährleistung beginnt aber erst, wenn der Vertrag erfüllt wurde. Und dieses Erfüllungsstadium endet üblicherweise mit der Abnahme. Folgerichtig stellt der BGH in seinem oben genannten Urteil fest: Ohne Abnahme, keine Gewährleistungsansprüche – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen (dazu gleich).
Die Richter stellen klar: In der Herstellungsphase – also bis zur Abnahme – kann der Auftraggeber lediglich Erfüllung bzw. Nacherfüllung verlangen. Ein Mangel liegt aber erst vor, wenn im Zeitpunkt der Abnahme die Leistung nicht vertragsgerecht erbracht wurde. Folgerichtig kann vor Abnahme kein Mangel und damit keine Sachmängelgewährleistung vorliegen. Damit scheidet auch die Selbstvornahme aus.
Vor Abnahme: Allgemeines Leistungsstörungsrecht
In der Herstellungsphase ist der Auftraggeber aber nicht völlig machtlos. Verstößt der Auftragnehmer – in unserem Beispielsfall der Architekt – gegen Vertragspflichten, bleiben Schadensersatz und/oder Rücktritt. Hier gelten die allgemeinen Voraussetzungen nach §§ 280 ff. BGB und § 323 BGB.
Daneben besteht das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 648a BGB. Voraussetzung ist, dass eine Fortsetzung des Vertrags für den Auftraggeber nicht mehr zumutbar ist.
Ausnahmen
In Ausnahmefällen kann der Auftraggeber auch ohne Abnahme auf Gewährleistungsrechte wie die Selbstvornahme zurückgreifen. Voraussetzung ist, dass der Auftraggeber nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis bereits in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist.
Dazu der BGH in seinem oben genannten Urteil:
„Macht der Besteller gegenüber dem Unternehmer nur noch Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend oder erklärt er die Minderung des Werklohns, so findet nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum alten Schuldrecht eine Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche statt (…). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes jedenfalls für den Fall fest, dass der Unternehmer das Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet.“
Fazit
Besonders beim Architektenvertrag muss der Auftraggeber aufpassen. Probleme vor Abnahme berechtigen in der Regel nicht zur Selbstvornahme. Statt dessen sollten Kündigungsmöglichkeiten oder Schadensersatzforderungen geprüft werden. Zu denken wäre eventuell auch an eine Teilabnahme. Dies wird Thema eines späteres Beitrags in unserem Blog.