Umgang mit insolventen Bietern

Der Baubranche geht es nach wie vor gut. Die Auftragsbücher von Bauunternehmen sind oft Monate im Voraus gefüllt. Gleichwohl gibt es auch im Baugewerbe immer wieder Firmen, die finanziell in Schieflage geraten – Insolvenzverfahren sind trotz guter Konjunktur weiterhin ein Thema. Über Kündigungsmöglichkeiten in diesen Fällen haben wir bereits berichtet. Heute gehen wir der Frage nach: Wie behandle ich insolvente Bieter im Vergabeverfahren?

Oberschwellige Vergaben

Dreh- und Angelpunkt bei EU-Vergaben ist § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB:

Öffentliche Auftraggeber können Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens ausschließen,

– wenn das Unternehmen zahlungsunfähig ist,

– über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares Verfahren beantragt oder eröffnet worden ist,

– die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist,

– sich das Unternehmen im Verfahren der Liquidation befindet oder seine Tätigkeit eingestellt hat.

Inhaltsgleich ist § 6e EU Abs. 6 Nr. 2 VOB/A, der unmittelbar für oberschwellige Bauvergaben gilt.

Ausschlussgründe

Die Regelung listet zunächst abschließend alle Gründe auf, die im Zusammenhang mit „Liquiditätsproblemen“ von Bietern relevant sind. Nicht unproblematisch ist dabei der Begriff der Zahlungsunfähigkeit. Dass eine solche bei einem Bieter vorliegt, dürfte für die Vergabestelle nicht ohne weiteres erkennbar oder gar nachweisbar sein.

Zahlungsunfähigkeit ist jedoch gemäß § 17 InsO ein zwingender Grund zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens. Daher wird hier zumeist gleichzeitig der zweite Fall der Aufzählung in § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB einschlägig sein. Einem Insolvenzantrag folgt zunächst die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung (§ 21 InsO). Diese wiederum wird veröffentlicht und ist allgemein einsehbar unter www.insolvenzbekanntmachungen.de.

Der damit wohl gängigste Fall im Vergabeverfahren ist, dass über das Vermögen des Bieters nach Abgabe seines Angebots das vorläufige oder endgültige Insolvenzverfahren eröffnet wird. Nur wenn das vorhandene Vermögen absolut unzureichend ist, wird die Eröffnung mangels Masse abgelehnt (§ 26 InsO) – Fall 3 der Aufzählung in § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB.

Ob mit oder ohne Insolvenzverfahren: Die Auflösung und Abwicklung des Unternehmens ist in der Regel die Folge. Diese Konstellation ist von Fall 4 der Aufzählung in § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB erfasst.

Rechtsfolge

Zwei Aspekte sind hier von Bedeutung. Zum einen stellt die Vorschrift klar, dass ein Ausschluss jederzeit während des Vergabeverfahrens möglich ist. Es spielt also keine Rolle, wie lange die Angebotsöffnung her ist.

Der zweite Aspekt ist von großer praktischer Bedeutung. § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB spricht lediglich davon, dass öffentliche Auftraggeber in den genannten Fällen ausschließen „können“. Es handelt sich also um eine Ermessensvorschrift. Das heißt, dass ein Ausschluss in der Vergabedokumentation zu begründen ist. Aus den Gründen muss hervorgehen, dass die Vergabestelle ihren Ermessensspielraum erkannt und ausgeübt hat. Floskelhafte Begründungen sind nicht ausreichend. Es ist ein Bezug zum konkreten Bieter und der zu vergebenden Leistung herzustellen.

Unterschwellige Vergaben

Hier ist § 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A 2019 einschlägig:

Angebote von Bietern können ausgeschlossen werden, wenn:

– über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet,

– die Eröffnung beantragt,

– der Antrag mangels Masse abgewiesen oder

– ein Insolvenzplan rechtskräftig bestätigt wurde.

Die ersten drei genannten Fälle finden sich auch in § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Insoweit gelten die obigen Ausführungen.

Nicht ausreichend ist nach dieser Vorschrift die bloße Zahlungsunfähigkeit. Wegen der dargestellten Beweisprobleme dürfte dieser Ausschlussgrund in der Praxis aber ohnehin selten vorkommen. Eine Besonderheit ist Fall 4, wonach auch die Bestätigung eines Insolvenzplans zum Ausschluss berechtigt. Es handelt sich dabei um einen Sanierungsplan für das insolvente Unternehmen, der vom Insolvenzgericht bestätigt werden muss (§§ 217 bis 269 InsO).

In der Regel wird der Vergabestelle aber schon vor der Bestätigung eines Insolvenzplans bekannt sein, dass ein Insolvenzverfahren läuft. Insofern kommt auch diesem Fall eine eher untergeordnete Rolle zu.

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