Was, wenn der Auftragnehmer die Abnahme verlangt, aber nicht fertig ist?
Der Auftraggeber ist nach § 12 Abs. 1 VOB/B verpflichtet, die Leistung abzunehmen, wenn die Leistung
- fertig ist,
- der Auftragnehmer die Abnahme verlangt und
- die First von 12 Werktagen abgeschlossen ist.
Der Fall der Abnahme trotz offener Restleistungen ist in der VOB/B nicht geregelt. Dennoch hatte sich der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2000 (BGH, Urteil vom 15. 6. 2000 – VII ZR 30/99) mit dieser Frage zu beschäftigen.
Wesentlich für unsere Frage ist folgende Feststellung des Bundesgerichtshofs:
„Dem Verlangen nach Abnahme steht auch nicht entgegen, daß noch unwesentliche Restleistungen fehlen, die für die Entscheidung des Auftraggebers, ob er die Leistung als Erfüllung annehmen und billigen will, unbedeutend sind.“
Diese Ausführung erinnert stark an § 12 Abs. 3 VOB/B. Diese Norm bestimmt, dass die Abnahme (nur) wegen wesentlicher Mängel verweigert werden kann. Der Bundesgerichtshof überträgt diese Wertung nun auch auf unwesentliche Restleistungen. Wann sind also Restleistungen unwesentlich?
Unwesentliche Restleistungen
In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs war diese Frage nicht zu entscheiden. Allerdings kann hier auch der Maßstab des § 12 Abs. 2 VOB/B für wesentliche Mängel herangezogen werden. Hierzu hat sich der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 1981 geäußert (BGH, Urteil vom 26-02-1981 – VII ZR 287/79):
„Ob ein Mangel “wesentlich” ist und deshalb zur Verweigerung der Abnahme nach § 12 Nr. 3 VOB/B (1973) berechtigt, hängt von seiner Art, seinem Umfang und vor allem seinen Auswirkungen ab und läßt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beurteilen. Dabei mögen auch subjektive Vorstellungen der Vertragspartner über die Bedeutung bestimmter Einzelheiten bei der Ausführung der Arbeiten eine Rolle spielen, wenn diese Vorstellungen hinreichend zum Ausdruck gekommen sind. Daraus allein, wie ausführlich die zu erbringende Leistung beschrieben und was dabei alles verlangt worden ist, kann aber noch nicht geschlossen werden, daß beim Fehlen einzelner Merkmale der darin bestehende Mangel dann auch “wesentlich” sein müßte. Selbst die Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ist zwar ein wichtiger Ansatzpunkt, aber ebenfalls nur einer der zu berücksichtigenden Umstände.“
Vereinfacht lässt sich zusammenfassen, dass je größer und schwerer zu beseitigen ein Mangel ist und desto schlimmer für die Gebrauchstauglichkeit und Lebensdauer er sich auswirkt, desto mehr scheint er wesentlich zu sein. Der gleiche Maßstab gilt auch für die Frage, ob Restleistungen wesentlich sind.
Fazit
Wenn eine fehlende Restleistung wesentlich ist, kann die Abnahme verweigert werden. Ob sie wesentlich ist hängt – wie bei Mängeln – von Art und Umfang ab. Jedenfalls ist der Maßstab der gleiche wie bei Mängeln. Damit lässt sich festhalten: Ist der Mangel einer bestimmten Leistung wesentlich ist das gänzliche Fehlen dieser Leistung erst Recht ein Grund die Abnahme zu verweigern.