Wie mehrere Quellen (z.B BDB BUND DEUTSCHER BAUMEISTER, ARCHITEKTEN UND INGENIEURE E.V. und Bayerische Ingenieurekammer-Bau) berichten, hat die EU Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV gegen Deutschland eingeleitet. Es geht um § 3 Abs. 7 VgV. Was ist der Hintergrund?
Hintergrund
Wie bereits in einem anderen Artikel beschrieben, muss man bei der Auftragswertermittlung den Wert alles Leistungen addieren. Eine Ausnahme gilt nach § 3 Abs. 7 VgV für Planungsleistungen, hier müssen nur gleichartige Planungsleistungen addiert werden. Die Praxis liest die Regel so, dass nur gleiche Leistungsbilder im Sinne der HOAI zu addieren sind.
Die Richtlinie 2014/24/EU enthält diese Einschränkung nicht. Art. 5 Abs. 8 RL 2014/24/EU lautet:
„Kann ein Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung von Dienstleistungen zu Aufträgen führen, die in mehreren Losen vergeben werden, so ist der geschätzte Gesamtwert aller dieser Lose zu berücksichtigen.
Erreicht oder übersteigt der kumulierte Wert der Lose den in Artikel 4 bestimmten Schwellenwert, so gilt die Richtlinie für die Vergabe jedes Loses.“
Was sagen die Gerichte?
Wegweisend zu der Frage wurde eine Enscheidung des OLG München gesehen. Im Beschluss vom 13.03.2017 – Verg 15/16 hat der Senat zunächst lange die Frage diskutiert, aber letztlich offen gelassen. Dabei wurde aber deutlich, dass auch das OLG Zweifel an der Regelung der VgV hat.
In dem Fall gab es jedoch eine Besonderheit: Die Vergabestelle hatte schon bekannt gemacht, dass es sich um eine besonders intensiv abzustimmende Planung handelt:
„Die Planungsdisziplinen der Tragwerksplanung, der technischen Ausrüstung, der thermischen Bauphysik und nicht zuletzt der Objektplanung müssen daher lückenlos aufeinander abgestimmt und optimiert werden. Sie bilden eine Einheit ohne Schnittstellen.“
Ausblick
Wie geht es weiter? Angesichts des drohenden Vertragsverletzungsverfahrens ist die Unsicherheit groß. Auftraggebern, die mit EU-Fördermitteln wirtschaften, ist angesichts der Unsicherheit dringend zu raten, den sichersten Weg zu gehen: Jede Planungsleistung so zu behandeln, wie wenn sie über dem Schwellenwert liegen würde, wenn die Summe aller Planungen über dem Schwellenwert liegt. Andernfalls besteht das Risiko, dass nach Projektabschluss Fördergelder zurückgefordert werden.
Doch auch für andere öffentliche Auftraggeber ist die Unsicherheit groß. Es könnten sich nun Vergabekammern veranlasst sehen, die Frage dem EuGH zur Klärung vorzulegen und damit die Verfahrensdauer sehr stark ansteigen zu lassen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
weshalb zitieren Sie nicht auch die Entscheidung der Vergabekammer Nord im Bundesland Bayern? Diese kam zu einem völlig anderen Ergebnis solange, keine EÜ-Fördermittel im Projekt verankert sind. Die Entscheidung ist zudem jünger und wird vom OLG München auch so mitgetragen.
Jedes Urteil gibt genau über den Sachverhalt Auskunft den die Richter vorgelegt bekommen. Was soll hier das zu Generalsieren?
Mit freundlichen Grüßen
Christina Högerl
Sehr geehrte Frau Högerl,
vielen Dank für Ihre Anmerkung. Wir haben keineswegs die Absicht zu verallgemeinern. Selbstverständlich ist jede Gerichtsentscheidung eine Einzelfallentscheidung. Die Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern (VK Nordbayern, 09.05.2018 – RMF-SG21-3194-3-10) ist da keine Ausnahme. Entscheidung der Oberlandesgericht haben jedoch eine gewisse „Bindungswirkung“ auch für andere Oberlandesgerichte. Dies ergibt sich aus § 179 Abs. 2 GWB. Danach müssen Oberlandesgerichte den jeweiligen Fall dem Bundesgerichtshof vorlegen, wenn sie von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen wollen.
Etwas irritiert bin ich von Ihrer Mitteilung, dass das Oberlandesgericht München die Entscheidung „mittragen“ würde. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München hierzu ist mir nicht bekannt, daher wäre ich Ihnen für einen konkreteren Hinweis dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Roman Weifenbach