Jedes Angebot hat ein „Verfallsdatum“. Dies gilt auch im Vergabeverfahren. Der Bieter ist nur für eine bestimmte Dauer an seinen Angebotsinhalt gebunden. Was aber passiert, wenn die Bindefrist abläuft, ohne dass ein Zuschlag erteilt wird? Mit dieser Frage wollen wir uns im folgenden Beitrag befassen.
Bedeutung der Bindefrist
Wenn die Bindefrist abgelaufen ist, hat dies zunächst einmal eine klare Konsequenz: Der Bieter ist nicht mehr an sein Angebot gebunden. Aus der Perspektive der Vergabestelle betrachtet, führt der Zuschlag auf ein verfristetes Angebot nicht mehr unmittelbar zu einem Vertragsabschluss.
Daher die Regelung in § 18 Abs. 2 VOB/A:
„Wird der Zuschlag verspätet erteilt, so ist der Bieter bei Erteilung des Zuschlags aufzufordern, sich unverzüglich über die Annahme zu erklären.“
Ein abgelaufenes Angebot kann nicht mehr angenommen werden. Ein verspäteter, d. h. nach Ablauf der Bindefrist erteilter Zuschlag gilt statt dessen als neues Angebot des Auftraggebers an den Bieter (vgl. § 150 Abs. 1 BGB). Es muss vom Bieter, sofern er noch an einem Vertragsabschluss interessiert ist, ausdrücklich oder stillschweigend angenommen werden.
Folgen des verspäteten Zuschlags
Das OLG Dresden hat in seinem Beschluss vom 12.10.2016 (Az. 16 U 91/16) folgerichtig festgestellt:
„Die Erteilung des Zuschlags ist auch nach Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist noch möglich. Der verspätete Zuschlag stellt ein neues Angebot dar, das der Bieter, der durch Fristablauf von seinem bindenden Angebot frei geworden ist, annehmen, aber auch ohne weiteres ablehnen kann.“
Mit Beschluss vom 07.11.2018 (Az. VII ZR 276/16) hat der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung zurückgewiesen.
Festzuhalten ist also, dass kein Bieter gezwungen werden kann, nach Ablauf der Bindefrist einen Zuschlag zu akzeptieren. Es liegt in der freien Entscheidung des Bieters, ob er in einem solchen Fall den Vertrag noch möchte oder nicht.
Stillschweigende Annahme
Der Bieter muss die Annahme des verspäteten Zuschlags übrigens nicht ausdrücklich erklären. Wenn die Vergabestelle den Zuschlag erteilt und der Bieter dann ohne weiteres damit beginnt, die Leistung auszuführen, ist das ausreichend. Durch sein Verhalten hat er dann zweifelsfrei bestätigt, trotz abgelaufener Bindefrist an seinem Angebot festzuhalten. Eine zusätzliche schriftliche Bestätigung ist dann überflüssig.
Vorbeugung durch Bindefristverlängerung
Sobald sich während des Vergabeverfahrens andeutet, dass die Bindefrist nicht ausreichend bemessen war, sollte schon aus Gründen der Rechtsklarheit unmittelbar reagiert werden. Ursachen für eine solche Situation gibt es viele. Oftmals sorgen zum Beispiel Bieteranfragen oder – im oberschwelligen Bereich – Rügen dafür, dass der Zeitplan platzt. Nicht selten sind Fehler in der Leistungsbeschreibung auch der Grund für solche Komplikationen.
In diesen Fällen sollten alle Bieter aufgefordert werden, die Bindefrist angemessen zu verlängern. Empfehlenswert ist es, einen konkreten Verlängerungszeitraum, zum Beispiel vier Wochen, vorzugeben. Die Bieter sollten ihre Zustimmung hierzu dann unbedingt nachweisbar, also zumindest in Textform, erklären.