Ein weiteres Thema des neuen Bauvertragsrechts ist, neben den bereits behandelten Themen (Verhältnis zur VOB/B, Allgemeines und Spezielles zu Architekten- und Ingenieurverträgen und Anordnungsrechte) die Frage der Nachtragsvergütung.
Nachtragsvergütung nach VOB/B
In § 2 VOB/B sind zahlreiche differenzierte Regelungen zur Nachtragsvergütung enthalten. Basis nahezu aller Absätze ist die Auftragskalkulation, auch Urkalkulation genannt. Vereinfacht lässt sich sagen: Der neue Preis ist so, wie er bei Beibehaltung aller übrigen kalkulatorischen Annahmen gewesen wäre, wenn er zur Angabotsabgabe kalkuliert worden wäre. In einem Satz fasste dies RA Claus Korbion zusammen:
„Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis.“
Diese Faustregel ist bis heute weitgehend anerkannt. Nur in extremen Fällen muss davon abgewichen werden.
Nachtragsvergütung nach BGB vor dem 01.01.2018
Bauverträge, die nach reinem BGB-Werkvertragsrecht geschlossen wurden, sind selten. Zu speziell ist der Vertragstyp des Bauvertrags, um ihn alleine nach den Regelungen des Werkvertragsrechts des BGB abzuwickeln. Nicht ohne Grund wurde bereits im Jahr 1926 die VOB/B erstmals eingeführt. Das BGB-Werkvertragsrecht aus dem Jahr 1900 ist der Universalvertrag für alles, was erschaffen werden soll. Darum ist das Werkvertragsrecht auf eine unüberschaubare Vielzahl von Leistungen anwendbar, von Autorenverträgen bis hin zu Verträgen über das Schneidern von Kleidungsstücken.
Wegen dieser allgemeinen Fassung enthält das Werkvertragsrecht des BGB auch keine Vorschriften zur Änderung von Leistung und Vergütung. § 631 Abs. 1 BGB bestimmt in erstaunlicher Einfachheit: Besteller und Unternehmer einigen sich darüber, was zu welchem Preis herzustellen ist. Damit ist der Werkvertrag grundsätzlich fertig, der Unternehmer fängt an, führt aus und wenn er fertig ist, erhält er die vereinbarte Vergütung.
Möchte man nun eine Änderung während der Ausführung, muss man sich erneut einigen und den Vertrag abändern. Diese Änderungsvereinbarung umfasst dann sowohl das geänderte Werk, als auch die geänderte Vergütung.
Übertragen auf den Bauvertrag bedeutet das: Wurde die VOB/B nicht vereinbart, gilt für Verträge, die vor dem 01.01.2018 geschlossen wurden, dass es keine Anordnungsrechte gibt. Die Parteien müssen sich über den Nachtrag sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach einigen.
Neues Bauvertragsrecht
Was gilt nun für Verträge, die ohne (wirksame) Vereinbarung der VOB/B nach dem 31.12.2017 geschlossen wurden? Mit § 650c BGB hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die weder dem bisherigen Modell des BGB entspricht, noch dem der VOB/B.
Wie wir bereits in dem Artikel zum Anordnungsrecht nach § 650b BGB erläutert haben, setzt eine Anordnung einen gescheiterten Einigungsversuch voraus. § 650c BGB knüpft für die Frage der Nachtragsvergütung an diese Regelung an. Nur wenn eine Einigung scheitert, gilt § 650c BGB, andernfalls gilt, worüber sich die Parteien geeinigt haben.
Tatsächlich erforderliche Kosten mit angemessenen Zuschlägen
Wie berechnet sich nun die Vergütung bei angeordneter Änderung? § 650c Abs. 1 BGB schreibt vor, dass die Nachtragsvergütung nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu ermitteln ist. Das wirft zahlreiche Fragen auf, die die Gerichte beschäftigen werden: Was unterscheidet die tatsächlich erforderlichen Kosten von tatsächlichen Kosten? Wann sind Kosten nicht erforderlich? Welche Zuschläge sind angemessen? Ist damit gemeint, dass die Nachtragsvergütung keine Baustellengemeinkosten enthalten darf?
Urkalkulation
In § 650c Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber neben diese Berechnungsregel eine Vermutung gestellt. Danach kann der Unternehmer seine Urkalkulation fortschreiben, wenn er diese vereinbarungsgemäß hinterlegt hat. Die sich daraus ergebende Vergütung gilt als geschuldete Nachtragsvergütung nach § 650c Abs. 1 BGB. Wie diese Vermutung erschüttert werden kann und wie die Urkalkulation methodisch fortzuschreiben ist, regelt § 650c Abs. 2 BGB nicht. Die Antwort darauf wird die Rechtsprechung geben.
Abschlagszahlungen
Als weitere Neuerung hat der Gesetzeber eine Regelung für die Behandlung strittiger Nachtragspreise in Abschlagsrechnungen getroffen. Nach § 650c Abs. 3 BGB kann der Auftragnehmer 80% seines Nachtragsangebotes in Abschlagsrechnungen ansetzen. Das gilt solange, bis sich die Parteien entweder über den Preis geeinigt haben, oder eine gerichtliche Entscheidung ergeht.
Was tun?
Bis die aufgeworfenen Fragen gerichtlich beleuchtet wurden, ist zu befürchten, dass die Streitigkeiten zunehmen werden. Allen am Bau Beteiligten ist bis dahin zu empfehlen, die VOB/B weiter wirksam zum Vertragsbestandteil zu machen. Auch wenn die Regelungen der VOB/B für Nachtragsvergütungen nicht unumstritten sind, sie sind weitgehend etabliert und handhabbar.