Bleibt guter Preis noch guter Preis?

Jedem, der Nachträge bearbeitet ist sie bekannt: Die Korbion’sche Formel: „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis.“ Die Entscheidung des Kammergerichts vom 10.07.2018 Az. 21 U 30/17 hat diese nun erschüttert.

Hintergrund

Seit Jahrzehnten steht sie fest in den Köpfen aller, die Nachträge erstellen oder prüfen: Die Faustregel für Preisberechnungen nach § 2 Abs. 3, 5 und 6 VOB/B, die auf Korbion zurückgehen soll. Vereinfacht soll damit zum Ausdruck kommen, dass das Preisniveau des Auftrags bei Nachträgen fortgeschrieben wird. Wer billig anbietet und den Zuschlag bekommt, muss seine Nachträge ebenso billig kalkulieren. Wer teuer anbietet und den Zuschlag erhält, kann auch bei etwaigen Nachträge teuer anbieten.

Die Rechtsprechung bisher

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.03.2013 Az. VII ZR 142/12 wurde als jüngste höchstgerichtliche Rechtsprechung regelmäßig herangezogen, wenn es um die Bestätigung der Korbion’schen Formel ging. Doch was war wirklich Inhalt der Entscheidung?

Der Bundesgerichtshof hatte über die Höhe einer Nachtragsforderung für geänderte Leistungen nach § 2 Abs. 5 VOB/B zu entscheiden. Dabei stellte er fest, dass sich der Nachtragspreis aus der Kalkulation des Auftragspreises entwickeln müsse. Also nach dem kalkulatorischen System des Auftrags. Dies ist nicht mehr oder weniger als die Kernaussage der Faustformel.

Allerdings hat der Bundesgerichtshof nicht gesagt, dass Preise aus dem Vertrag fortzuschreiben sind, sondern nur wie. Also die zweite Frage (Wie werden Preise fortgeschrieben?) vor der ersten Frage (Werden Nachtragspreise überhaupt durch Fortschreibung der Vertragspreise ermittelt?). Die erste Frage ließ der Bundesgerichtshof offen, da Auftragnehmer und Auftraggeber sich einig waren, dass dies so erfolgen soll.

Das Kammergericht

Mit Urteil vom 10.07.2018, Az. 21 U 30/17, entschied das Kammergericht, dass § 2 Abs. 5 und Abs. 6 VOB/B keine Preisfortschreibung vorschreiben. Die Auftragskalkulation sei nur ein Hilfsmittel, maßgeblich seien aber tatsächliche Kosten. Diese Auffassung ist, sollte sie sich durchsetzen, nicht weniger als eine Revolution. Der Unterschied zum neuen gesetzlichen Bauvertragsrecht ist so kaum mehr gegeben. Auch § 650c Abs. 1 BGB bestimmt die tatsächlich (erforderlichen) Kosten zur Basis von Nachtragspreisen.

Und jetzt?

Die Unsicherheit könnte nicht größer sein. In der Praxis ist die Korbion’sche Faustformel weiter in tagtäglicher Anwendung. Der Bundesgerichtshof hat sich bislang nicht positioniert und das Kammergericht verursacht Verunsicherung.

Ein Bieter steht nun vor dem Problem, dass er nun nicht weiß, wie er vor dem Hintergrund möglicher Nachträge kalkulieren soll: Kalkuliert er nach Korbion, müsste er eventuelle Nachträge bedenken und ggf. höhere Kalkulationsansätze vornehmen. Kalkuliert er nach dem Kammergericht, handelt er in der Vorstellung, sich von der Kalkulation im Falle eines Nachtrags lösen zu können. Er kann also auf „Angstzuschläge“ verzichten.

Für den öffentlichen Auftraggeber birgt diese Unsicherheit ebenfalls Gefahren. Der Bieter, der knapper kalkuliert, wird im Fall eines Nachtrags Ist-Kosten fordern und sich nicht mehr an seine Kalkulation halten wollen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich der Bundesgerichtshof alsbald positioniert und hier für Klarheit sorgt.

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