Corona und die VOB/B – Teil 2 Annahmeverzug und Stillstand

Im ersten Teil unserer kleinen Serie zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf VOB/B-Verträge ging es um Vergütungsansprüche nach § 2 Abs. 5 und Abs. 6 VOB/B. Der folgende Beitrag untersucht, ob § 642 BGB (in Verbindung mit § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B) als Anspruchsgrundlage einschlägig sein kann.

Allgemeines zu § 642 BGB

§ 642 BGB setzt einen Annahmeverzug des Auftraggebers voraus. Der Unternehmer muss hier also daran gehindert sein, seine Bauleistung zu erbringen, weil der Auftraggeber eine dafür notwendige Mitwirkung unterlässt. Klassisches Beispiel: Der für die Bauausführung notwendige Plan wird nicht rechtzeitig übergeben. Der Unternehmer kann daher – vorerst – nicht mit seinen Bauarbeiten beginnen.

Wichtig ist bei § 642 BGB stets, dass die Mitwirkungshandlung nicht schuldhaft – also fahrlässig oder vorsätzlich – unterblieben sein muss. Es genügt, wenn ein Umstand zugrunde liegt, der aus dem Risikobereich des Auftraggebers stammt. Um im Beispiel zu bleiben: Wenn der Bauherr nicht mittels einer Ausführungsplanung sagt, was er gerne hätte, dann ist dies zweifellos sein eigenes Risiko. Steht die Baustelle daraufhin still, hat der davon betroffene Unternehmer einen Anspruch auf Entschädigung. Ob dies daran liegt, dass der Plan nicht rechtzeitig erstellt wurde, oder auf dem Weg zur Baustelle gestohlen oder zerstört wurde ist egal.

Anwendung auf die Pandemie-Situation

Voraussetzung dafür, dass § 642 BGB im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zur Anwendung kommen kann, ist – auch hier – zunächst ein Annahmeverzug des Auftraggebers. Kann der Unternehmer nicht leisten, weil seine eigenen Leute erkrankt oder in Quarantäne sind, ist § 642 BGB schon per se nicht einschlägig.

Denkbar sind im Wesentlichen zwei Konstellationen, die zum Annahmeverzug führen:

  • Der Auftraggeber muss die Baustelle stilllegen, weil behördliche oder gesetzliche Vorgaben dies verlangen. Ihm wird damit „von außen“ die weitere Abwicklung der Baumaßnahme unmöglich gemacht (Fall 1).
  • Denkbar ist aber auch, dass der Auftraggeber aus eigenem Ermessen die Ausführung stoppt – zum Beispiel vorsorglich wegen mehrerer Ansteckungen beim Baustellenpersonal (Fall 2).

Im Fall 1 wird ein Anspruch aus § 642 BGB entfallen, weil der Stillstand von außen kommt. Man könnte auch von „höherer Gewalt“ sprechen.

Im Fall 2 kommt es auf den konkreten Sachverhalt an. Vieles spricht hier dafür, eine Einwirkung aus dem Risikobereich des Auftraggebers zu bejahen, da eine freie Entscheidung aus seinem Zuständigkeitsbereich zugrunde liegt. Ein Entschädigungsanspruch könnte also erfolgreich sein.

Fazit:

Der Einzelfall muss stets genau betrachtet werden. Ist die Pandemie „nur“ ein Beweggrund für ein Verhalten des Auftraggebers, das zum Annahmeverzug führt, ist § 642 BGB regelmäßig anwendbar. In vielen Fällen wird dies aber anders sein – nämlich bei allen Einwirkungen von außen, die in den Bereich höhere Gewalt oder unabwendbares Ereignis fallen.

Mit weiteren pandemiebedingten Konstellationen und möglichen Anspruchsgrundlagen werden wir uns in künftigen Teilen dieser Serie befassen.

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