Preismanipulation im Vergabeverfahren

Angebote in einem Vergabeverfahren müssen die geforderten Preise enthalten. Diese klare Vorgabe macht § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A für unterschwellige Vergaben ebenso wie § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A im oberschwelligen Bereich. Verstößt ein Angebot gegen diese Vorgabe, muss es in aller Regel ausgeschlossen werden (§ 16a Abs. 2 S. 2 VOB/A 2019; § 16 EU Nr. 3 VOB/A). Dies gilt auch, wenn eine sog. Mischkalkulation aufgedeckt wird.

Begriff der Mischkalulation

Von Mischkalkulation ist die Rede, wenn ein Bieter die Einheitspreise einzelner Leistungspositionen im Angebot auf andere Leistungspositionen verteilt. Um z.B. besonders wertungsrelevante Positionen möglichst günstig anbieten zu können, lassen sich auf diese Weise Preisbestandteile an anderer Stelle des Angebots verstecken.

Nach herrschender Meinung handelt es sich dann um ein Angebot, dass entgegen § 13 (EU) Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nicht die geforderten Preise enthält. Konsequenz ist ein Ausschluss aus dem Vergabeverfahren nach § 16a Abs. 2 S. 2 VOB/A 2019 oder § 16 EU Nr. 3 VOB/A.

Nachweisführung

Problematisch ist allerdings die Nachweisführung. Die Vergabestelle kann einen Ausschluss nicht auf bloße Verdachtsmomente stützen. Sie hat – insbesondere mittels Aufklärung – die Hintergründe auffälliger Preise zu erforschen. In vielen Fällen wird sich dadurch der Verdacht einer Mischkalkulation nicht eindeutig bestätigen. Trotz eines „unguten Gefühls“ belässt die Vergabestelle das Angebot dann häufig in der Wertung.

Beweiserleichterungen

Die Rechtsprechung hat hier allerdings in einigen Fällen Beweiserleichterungen geschaffen. Aktuelles Beispiel ist die Entscheidung des OLG München vom 17.04.2019, Az. Verg 13/18:

  1. Es ist einem Bieter nicht verboten, einzelne Positionen unter seinen Kosten anzubieten. Dies bedeutet aber nicht, dass der Bieter seine zu deckenden Gesamtkosten nach Belieben einzelnen LV-Positionen zuordnen darf.
  2. Verlagert der Bieter die für einzelne LV-Positionen eigentlich vorgesehenen Preise ganz oder teilweise in andere Positionen, enthält sein Angebot nicht die geforderten Preise.
  3. Eine Angebotsstruktur, bei der deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegenden Ansätzen bei bestimmten Positionen auffällig hohe Ansätze bei anderen LV-Positionen entsprechen, indiziert eine solche Preisverlagerung.
  4. Kann der Bieter die Indizwirkung nicht erschüttern, rechtfertigt dies die Annahme, dass das Angebot nicht die geforderten Preisangaben enthält und daher auszuschließen ist.

BGH-Entscheidung vom 19.06.2018

Die Entscheidung knüpft an das Urteil des BGH vom 19.06.2018, Az.: X ZR 100/16, an. Dort wurde entschieden, dass eine Angebotsstruktur, bei der deutlich zu niedrig angebotene Positionen auffällig hohen Ansätzen bei anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses entsprechen, eine Preisverlagerung indiziert. Kann der Bieter die Indizwirkung nicht erschüttern, rechtfertigt dies die Annahme, dass das Angebot nicht die geforderten Preisangaben enthält und daher auszuschließen ist.

OLG-Entscheidung vom 17.04.2019

Im aktuellen Fall des OLG München (a.a.O.) gab ein Bieter für die Entsorgung von Beton der Belastungsklasse Z 1.1 einen auffallend deutlichen Negativpreis an. Alle anderen Bieter hatten für die Entsorgung dieses Betons dagegen einen mehr als nur unerheblichen Preis gefordert. Umgekehrt setzte der Bieter für die Entsorgung von Beton der Belastungsklasse Z.1.2 einen Preis an, der ganz erheblich über denen der Mitbieter lag. Nach Ansicht des Gerichts war dies eine Angebotsstruktur, der eine Preisverlagerung indiziert.

Auch im Rahmen der Aufklärung gelang es dem Bieter nicht, diese Vermutung zu erschüttern. Eine überzeugende Erklärung für die markanten Preise konnte er nicht liefern. Der Ausschluss aus dem Vergabeverfahren war somit berechtigt.

Fazit

Dieser Fall veranschaulicht, dass gerade bei offensichtlichen Preismanipulationen die Vergabestelle keinen vollen Nachweis liefern muss. Hier dreht sich die Beweislast um: Der Bieter muss sich entlasten, um nicht ausgeschlossen zu werden.

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