Gemischter Vertrag – Wann wird nach VOB/A vergeben?

Ein typischer Fall aus der Vergabepraxis: In einem Verwaltungsgebäude wird ein  Schulungsraum saniert. Am Ende sollen dort auch neue Tische und Stühle vorhanden sein. Die zuständige Vergabestelle ist sich unsicher: Müssen die Tische und Stühle als Bau- oder Lieferleistung ausgeschrieben werden?

Beginnen wir zunächst mit einem Blick in die Vergabeordnung. Gemäß § 1 VOB/A sind Bauleistungen:

„Arbeiten jeder Art, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt wird.“

Erforderlich ist also eine genauere Betrachtung desauszuschreibenden Auftrags. In unserem Beispielsfall sind mehrere Varianten möglich.

Sanierungsarbeiten und Möblierung werden zu einem Los zusammengefasst

Nach § 5 Abs. 2 VOB/A sind Bauleistungen zwar grundsätzlich getrennt nach Art oder Fachgebiet, also in Fachlosen, zu vergeben. Satz 2 dieser Regelung lässt aber die Zusammenfassung zu einem Los zu, wenn entsprechende wirtschaftliche oder technische Gründe vorliegen. Nehmen wir an, dass solche Gründe in unserem Beispielsfall existieren.

Im Ergebnis enthält der zu vergebende Auftrag soweit es um die Sanierung geht damit also Arbeiten, „durch die eine bauliche Anlage (…) geändert wird“ (vgl. § 1 VOB/A). Zugleich ist aber auch die Lieferung von Tischen und Stühlen geschuldet. Der Vertrag enthält somit Elemente unterschiedlicher Leistungsarten und wird dadurch zum sogenannten typengemischten Vertrag.

Die Rechtsnatur des Gesamtvertrages bestimmt sich in diesem Fall danach, welche Leistungen den Hauptgegenstand des Vertrags bilden – ihn also gleichsam prägen. Bei einer Sanierung mit abschließender Ausstattung mit Tischen und Stühlen wird der Schwerpunkt in aller Regel auf den Bauleistungen liegen, da diese einen wesentlich größeren Umfang einnehmen und den Charakter des Vertrags ausmachen. Die Möblierung erscheint hier eher nebensächlich.

In diesem – einfach gelagerten – Fall wird eine Ausschreibung des Gesamtvertrags nach der VOB/A (EU) gut zu begründen sein.

Ein weiteres in der Rechtsprechung entwickeltes Kriterium ist der Funktionszusammenhang mit der Ausführung eines Bauwerks (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 66/18 m.w.N.). Die Frage ist also vorliegend, ob die Möblierung für die Herstellung eines funktionsfähigen Bauwerks erforderlich und von wesentlicher Bedeutung ist. Wenn ja, spräche dies zusätzlich für einen Bauauftrag. Ein solcher Funktionszusammenhang kann in der Regelnur bei Neubaumaßnahmen bestehen. Vorliegend geht es nur um die Sanierung eines Raums in einem bestehenden Gebäude, weshalb die Funktion des Gesamtbauwerks außer Betracht bleibt.

Ausstattung mit Tischen und Stühlen als eigenständiges Fachlos

Komplizierter wird es, wenn die Möblierung gesondert ausgeschrieben werden soll. Es kommt nun maßgeblich darauf an, ob die Tische und Stühle in den Schulungsraum fest eingebaut werden sollen (Fall A) – wie zum Beispiel in einem Hörsaal – oder ob sie lediglich aufgestellt werden (Fall B).

Fall A

Fall A enthält Elemente einer Bauleistung, nämlich den Einbau der Möbel. Zugleich spielt aber auch die Lieferung der Tische und Stühle eine Rolle. Wir haben also wieder einen typengemischten Vertrag und es stellt sich erneut die Frage, welche Leistung den Vertrag prägt und den Schwerpunkt bildet. Anteilige Wertverhältnisse sind nicht das entscheidende Kriterium. Sollte es sich also um sehr teure Designermöbel handeln, die zu einem vergleichsweise günstigen Preis eingebaut werden, führt das nicht automatisch zur Annahme eines Liefervertrags.

Die Rechtsprechung tendiert jedenfalls dann, wenn die fachgerechte Montage für die ordnungsgemäße Funktion wesentlich und unerlässlich ist, wiederum zur Annahme einer Bauleistung. Einbautische und –stühle in einem Hörsaal können in der Regel nur dann bestimmungsgemäß verwendet werden, wenn sie korrekt montiert und befestigt sind. Im Fall A wird man daher von einer Bauleistung ausgehen können.

Fall B

Im Fall B gibt es keinerlei Montageleistung, nur die Leistungsart „Lieferung“. Es liegt also gerade kein typengemischter Vertrag vor. Die Ausschreibung ist daher auch nicht nach den Vorgaben der VOB/A durchzuführen.

Fazit

Folgende Prüfungsschritte sind empfehlenswert:

  • Enthält der konkrete Vertrag Bau- und Lieferleistungen? Wenn ja:
  • Ist die Bauleistung ein prägender Teil des typengemischten Vertrags?insbesondere: Ist die fachgerechte Montage für die ordnungsgemäße Funktion der gelieferten Sache wesentlich und unerlässlich? Wenn ja: Bauvertrag
  • Wenn nein: Ist der eingebaute Gegenstand Voraussetzung für ein funktionsfähiges (Gesamt-)Gebäude? Wenn ja: Bauvertrag

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