Keine Angst vor Verhandlungen

Obwohl schon in der VOF das Verhandlungsverfahren der Regelfall war, kann man den Eindruck gewinnen, dass Verhandlungen etwas neues sein. Öffentliche Auftraggeber haben zwar mit der Vergaberechtsreform 2016 kein neues Verfahren bekommen, aber ein neues Bewusstsein.

Das „neue“ Verhandlungsverfahren

Wenn es im Bereich der VOB/A noch oft heißt, dass (Nach-)Verhandlungen verboten sind, ist das Bild in der VgV ein völlig anderes. Die Schwelle für die Wahl des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb ist in § 14 Abs. 3 VgV nicht sehr hoch gelegt. Bei Vergaben über Architekten- und Ingenieurleistungen im Sinne von § 73 VgV bestimmt § 74 VgV das umgangssprachlich oft als „VgV-Verfahren“ bezeichnete Vorgehen sogar zum Regelverfahren. Auch wenn es Möglichkeiten gibt, trotz Verhandlungsverfahren auf die Verhandlung zu verzichten, geht es hier um die Verhandlung.

Über was?

Was bedeutet nun Verhandlungsverfahren? Im Verhandlungsverfahren können und sollen die Parteien über die Angebote verhandeln. Das bedeutet, dass der öffentliche Auftraggeber nach der Eignungsprüfung (Teilnahmewettbewerb) geeignete Bewerber auffordert, Angebote abzugeben. Über diese verhandeln der öffentliche Auftraggeber und der Bieter sodann.

Verhandeln bedeutet, dass die Bieter und die Vergabestelle darauf hinwirken, die Angebote zu verbessern. Dabei sind zwei wesentliche Punkte zu beachten:

  1. Verhandlungen dürfen nicht die Mindestanforderungen oder die Zuschlagskriterien verändern (Vgl. § 17 Abs. 9 S. 2 VgV).
  2. Maßstab für die Güte eines Angebotes sind die (unveränderlichen) Zuschlagskriterien.

Punkt 1 muss noch um einen Aspekt ergänzt werden: Der Auftragsgegenstand darf auch nicht „wegverhandelt“ werden. Eine Beschaffung einer Tragwerksplanung für ein Wohngebäude muss die Tragwerksplanung für ein Wohngebäude bleiben. Die Grenze ist die Definition in der Bekanntmachung. Was Mindestanforderungen sind, legt die Vergabestelle in den Vergabeunterlagen fest.

Punkt 2 folgt aus der Systematik des Vergabeverfahrens: Die Vergabestelle legt erst abstrakt fest, was sie möchte. Danach geben die Bieter Angebote ab, in denen sie dem Auftraggeber möglichst zufrieden stellen wollen. Diese messen sich an den Zuschlagskriterien, die unveränderlich sind. Damit zeigt sich bereits, dass mit den Zuschlagskriterien eine der wichtigsten Weichenstellungen im Vergabeverfahren erfolgt.

Wie geht’s?

In der Verhandlung selbst können beide Seiten nun Vorschläge machen, was am Angebot noch besser sein könnte und wo die Verträge geändert werden sollen. Dabei ist die Vergabestelle natürlich „Herr des Verfahrens“. Verhandeln bedeutet nicht, dass sich der öffentliche Auftraggeber auf alles einlassen muss, aber er hat die Chance Vertragsinhalte anzupassen, um damit den Bietern die Abgabe besserer Angebote zu ermöglichen.

Und dann?

Ist dieser Prozess abgeschlossen, fordert der öffentliche Auftraggeber die Bieter auf, neue Angebote abzugeben. Diese basieren dann auf den Vergabeunterlagen in denen die Verhandlungsergebnisse berücksichtigt wurden. Fordert der öffentliche Auftraggeber zu einem Folgeangebote auf, so muss er darüber erneut verhandeln. Fordert er zur Abgabe eines endgültigen Angebotes auf, wird ohne weitere Verhandlung die Wertung durchgeführt und der Zuschlag erteilt (§ 17 Abs. 14 VgV).

Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem „neuen“ Verhandlungsverfahren?

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